Harro Kiendl
Wenn ein Künstler eine reale Szene - etwa eine Landschaft - malt, orientiert er sich nicht nur am sichtbaren Motiv. Stattdessen fließen auch persönliche ästhetische Vorstellungen in das Werk ein. So entsteht oft ein Bild, das sich bewusst vom Original unterscheidet. Diese Abweichungen sind kein Mangel, sondern Ausdruck künstlerischer Freiheit - andernfalls hätte auch ein bloßes Foto genügt.
Genau diesen kreativen Ansatz habe ich in einem computergestützten Verfahren formalisiert. Ausgangspunkt ist ein reales Foto. Daraus entwickelt der Gestalter ein Repertoire sogenannter "Patches" - zum Beispiel Linien unterschiedlicher Länge, Dicke und Ausrichtung, aus denen das Bild aufgebaut werden soll.
Zudem definiert er ein Regelwerk: Jede Regel bewertet, wie gut ein bestimmter Patch an einer bestimmten Stelle im Foto passt - sowohl inhaltlich als auch im Hinblick auf die gewünschte Ästhetik. Aus diesen Bewertungen wird ein Gesamtwert berechnet. Der bestbewertete Patch wird platziert. So entsteht das erste Bild. Anschließend wiederholt sich der Vorgang - unter Berücksichtigung des bisherigen Bildes -, sodass Schritt für Schritt ein neues Bild entsteht.
Dieser Prozess kann beliebig fortgeführt und jederzeit vom Gestalter interaktiv beeinflusst werden - etwa durch Anpassung der Regeln oder durch Auswahl anderer Patchs.
Ein Vorteil dieses Verfahrens besteht darin, dass der gewünschte Stil über das gesamte Bild hinweg konsistent bleibt - eine Herausforderung bei freihändiger Umsetzung.
Erste Ergebnisse dieses Verfahrens finden Sie weiter unten: Aus einem Foto der TU Dortmund entstand beispielsweise die hier gezeigte Strichzeichnung. Auch alle weiteren Bilder basieren auf Fotografien.
Das Verfahren lässt sich erweitern - etwa zur Erzeugung farbiger Bilder oder zur Nutzung bildanalytischer Erkenntnisse aus bestehenden Kunstwerken. So muss der Gestalter seine Entscheidungen nicht nur aus dem Gefühl heraus treffen, sondern kann sich auch auf fundierte, datenbasierte Kriterien stützen.